Entwurf
Landratsamt A
Betr.: | Widerspruchsgebühr nach Vergleich und Klagerücknahme |
Bezug: | Gebührenanforderung vom 22.04.1998 zum Widerspruch des Herrn ... B vom 13.01.1994 gegen den Kostenersatzbescheid der Gemeinde C vom 22.12.1993 - AZ.: ..................... |
Sachverhalt:
Der Gebührenschuldner wendet sich gegen die Anforderung einer Widerspruchsgebühr.
Nach der Beseitigung eines Wasserrohrbruches erließ die Gemeinde C am 22.12.1993 gegen
den Gebührenschuldner einen Kostenerstattungsbescheid in Höhe von 4.780,72 DM, gegen den
dieser am 13.01.1993 Widerspruch einlegte. Nachdem die Akten am 23.01.1996 dem Landratsamt
vorgelegt worden waren (As. 1 ff.), erließ dieses mit Schreiben vom 10.04.1997,
zugestellt am 18.04.1997, einen ablehnenden Widerspruchsbescheid, für den es eine Gebühr
in Höhe von 460,00 DM festsetzte (As. 153 ff.). Am 13.05.1997 erhob der
Gebührenschuldner Klage. Nachdem das Landratsamt am 16.06.1997 eine Mahnung auf Zahlung
der Widerspruchsgebühr erlassen hatte (As. 171 ff.), richtete es am 04.07.1997 eine
Dauermahnsperre ein und teilte dies dem Gebührenschuldner mit (As. 175).
Am 17.09.1997 stimmte der Gemeinderat von C einem außergerichtlichen Vergleich mit dem
Gebührenschuldner zu, wonach die Kosten in Höhe von 4.780,72 DM hälftig zwischen
Gemeinde und Gebührenschuldner aufgeteilt werden. Darüber hinaus entstandene Kosten
trage jede Vertragsseite selbst (As. 191 ff.). Am 17.10.1997 richtete die Gemeinde ein
Schreiben an den Gebührenschuldner, wonach die Gemeinde auf die Hälfte der angefochtenen
Rückerstattungskosten verzichte (As. 195). Nachdem am 09.12.1997 ein geänderter
Kostenbescheid über 2.390,36 DM an den Gebührenschuldner ergangen war (As. 201), nahm
der Gebührenschuldner seine Klage zurück. Das gerichtliche Verfahren wurde mit Beschluß
vom 11.03.1998 eingestellt, worin dem Gebührenschuldner die Kosten des Verfahrens
auferlegt wurden (As. 205 f.).
Mit Schreiben vom 22.04.1998 forderte das Landratsamt den Gebührenschuldner auf, die
Widerspruchsgebühr innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung zu begleichen, um
Beitreibungsmaßnahmen zu vermeiden (As. 207 ff.). Mit Schreiben vom 28.04.1998,
eingegangen am 29.04.1998, hat der Gebührenschuldner die Zahlung der Widerspruchsgebühr
abgelehnt (As. 213). Dies hat er nochmals in einem Schreiben vom 12.05.1998 als Antwort
auf ein Schreiben des Landratsamtes vom 30.04.1998 (As. 215 ff.) bekräftigt.
Der Gebührenschuldner trägt vor, durch den außergerichtlichen
Vergleich mit der Gemeinde C sei die Grundlage für die Widerspruchsgebühr entfallen. Der
ursprüngliche Verwaltungsakt und der Widerspruchsbescheid seien durch den Vergleich
beseitigt worden, so daß sich insoweit auch keine Kostenregelung ergeben könne.
Stellungnahme:
Ich schlage vor, Beitreibungsmaßnahmen nach §§ 13 ff. LVwVG einzuleiten.(1)
I. Eine vollstreckbare Grundverfügung liegt vor. Diese liegt zwar nicht in der
Kostenformel des verfahrensbeendenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts (A), aber in der
unanfechtbar gewordenen Gebührenfestsetzung im Widerspruchsbescheid (B).
A. Die Kostenentscheidung im Beschluß des Verwaltungsgerichts bietet keine
Anspruchsgrundlage für die Zahlung einer Widerspruchsgebühr an die Widerspruchsbehörde.
Die §§ 154 ff. VwGO befassen sich nur mit der sekundären Kostenerstattung zwischen den
Beteiligten (vgl. § 121 Nr. 1 VwGO). Sie normieren einen prozessualen
Erstattungsanspruch, der seine Grundlage in dem durch die Klageerhebung begründeten
Prozeßrechtsverhältnis findet. Zur primären Kostentragungspflicht, zu der auch die
Erhebung einer Widerspruchsgebühr der Widerspruchsbehörde gegenüber dem
Widerspruchsführer gehört, äußern sich die §§ 154 ff. VwGO hingegen nicht (Eyermann,
Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl. 1998, Bearb.: Rennert, vor § 154 VwGO Rdn. 1). Die
Kosten des Vorverfahrens zählen nach § 162 Abs. 1 VwGO zu den außergerichtlichen
Aufwendungen des Widerspruchsführers (Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl. 1994,
§ 162 VwGO Rdn. 16). Sind die Träger der Ausgangs- und der Widerspruchsbehörde
verschieden, so kann die Körperschaft der Widerspruchsbehörde weder Adressat einer
Kostenregelung noch Beteiligte des anschließenden Kostenfestsetzungsverfahrens nach §
164 VwGO sein (BVerwG, Urt. v. 31.01.1975 - 4 C 55.72 - VRspr. 27 (1976), 243, 245). Die
gerichtliche Kostenentscheidung kann somit nur bestimmen, ob der Beklagte (hier: die
Gemeinde C) dem Widerspruchsführer die von der Widerspruchsbehörde erhobene
Widerspruchsgebühr als notwendige außergerichtliche Aufwendungen zu erstatten hat oder
nicht. Eine darüber hinausgehende Aussage bezüglich der Widerspruchsgebühr trifft die
Kostenentscheidung nicht. Sie hat auf die Beziehung zwischen Widerspruchsbehörde und
Gebührenschuldner keine Auswirkung.
B. Eine vollstreckbare Grundverfügung liegt aber in der Festsetzung einer
Widerspruchsgebühr im Widerspruchsbescheid. Dieser Gebührenbescheid hat sich weder durch
die Rücknahme der Klage des Gebührenschuldners (1), noch durch die Abänderung des
Kostenerstattungsbescheids der Gemeinde C (2) erledigt. Der außergerichtliche Vergleich
hat auch keine anderweitige Regelung der Gebührentragung getroffen (3).
1. Eine Klagerücknahme führt zu keiner Erledigung des Ausgangs- und
Widerspruchsbescheides. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom
Gebührenschuldner im Schreiben vom 12.05.1998 aufgeführten Fundstelle (Eyermann-Rennert,
§ 92 VwGO Rdn. 20). Mit den »bereits ergangenen (noch nicht rechtskräftigen)
Entscheidungen«, die gegenstands- und wirkungslos werden, sind nur gerichtliche
Entscheidungen gemeint. Die Rücknahme der Klage beendet das Verfahren unmittelbar und
grundsätzlich mit Rückwirkung mit der Folge, daß bereits im Prozeß ergangene
Entscheidungen einschließlich eines noch nicht rechtskräftigen Urteils wirkungslos
werden und ein angefochtener Verwaltungsakt, wenn inzwischen die Klagefrist verstrichen
ist, unanfechtbar wird (Kopp, § 92 VwGO Rdn. 3). Auch Eyermann-Rennert (a.a.O.) meint
nichts anderes, da die Bezeichnung »rechtskräftig« für gerichtliche Entscheidungen
verwendet wird, während man bei behördlichen Entscheidungen von Bestandskraft spricht
(Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 11 Rdn. 3).
2. Auch die Abänderung des ursprünglichen Kostenerstattungsbescheids durch die
Gemeinde C am 09.12.1997 - also nach Erlaß des Widerspruchsbescheides - hat zu keiner
(teilweisen) Erledigung der Widerspruchsgebühr geführt. Zwar erledigen sich
akzessorische Verwaltungsakte mit der Erledigung des Hauptverwaltungsakts. Auch der
Widerspruchsbescheid erledigt sich mit der Aufhebung des Erstbescheides oder seinem
Vollzug (Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl. 1993, Bearb.: Sachs,
§ 43 VwVfG Rdn. 148). Etwas anderes gilt nach h.M. jedoch für den
Widerspruchsgebührenbescheid.
Nach § 1 Abs. 1 LGebG erheben die staatlichen Behörden für Amtshandlungen, die sie
auf Veranlassung oder im Interesse einzelner vornehmen, Verwaltungsgebühren. Nach § 2
Abs. 1 LGebG, Nr. 76.1.1 GebVerz werden für einen erfolglosen Widerspruch Gebühren
erhoben. Die Zurückweisung des Widerspruchs, die die Gebührenschuld hat entstehen
lassen, bleibt jedoch unberührt davon, daß durch eine Aufhebung der Ausgangsverfügung
Widerspruch und Widerspruchsentscheidung gegenstandslos werden. Die Amtshandlung der
Zurückweisung des Widerspruchs, durch die die Widerspruchsbehörde ihre Gebühr
»verdient«, ist zwar die Voraussetzung dafür, daß die Gebührenschuld entsteht, weil
bei erfolgreichem Widerspruch eine Gebühr nicht erhoben wird; ihr Bestand wird aber
grundsätzlich nicht von dem weiteren Schicksal oder der späteren Beurteilung dessen, was
sie geregelt hat, in Frage gestellt. Nur wenn der zurückweisende Widerspruchsbescheid
durch ein Urteil gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO als rechtswidrig aufgehoben wird,
entfällt mit der Aufhebung der Zurückweisung das Tatbestandsmerkmal für die
Gebührenerhebung. Nur in diesem Falle ist die Widerspruchsbehörde nicht mehr berechtigt,
Gebühren und Auslagen für die Widerspruchsentscheidung zu fordern (OVG
Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14.08.1979 - 2 A 460/77 - DVBl. 1981, 55, 56; ebenso VGH
Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.06.1982 - 8 S 868/82 - VBlBW 1983, 102, 103 m.w.N.; im
Erg. ebenso Bayerischer VGH, Beschl. v. 22.08.1983 - 15 CE 83 A.1638 - BayVBl. 1984, 691,
692; a.A. Redeker, DVBl. 1981, 56 f.).
3. Im zwischen der Gemeinde C und dem Gebührenschuldner geschlossenen Vergleich wurde
auch keine anderweitige Regelung getroffen, was mit den Widerspruchsgebühren geschehen
soll. Ausweislich des Protokolls der Gemeinderatssitzung vom 17.09.1997 sollte über die
Kosten für die Beseitigung des Wasserrohrbruches hinaus entstandene Kosten jede
Vertragsseite selbst tragen. Das Landratsamt war nicht Vertragspartei des
außergerichtlichen Vergleichs. Die Kosten des Vorverfahrens sind außergerichtliche
Aufwendungen des Klägers (VGH Baden-Württemberg, a.a.O.). Daher hat der
Gebührenschuldner die Widerspruchsgebühr selbst zu tragen.
II. Nunmehr können Beitreibungsmaßnahmen in die Wege geleitet werden. Die
angeforderte Widerspruchsgebühr ist fällig. Fälligkeit ist der Zeitpunkt, in welchem
der Gläubiger seine Forderung geltend machen darf und der Schuldner seine Verpflichtung
erfüllen muß (Sadler, Verwaltungsvollstreckungsgesetz, 2. Aufl. 1992, § 3 VwVG Rdn.
22). Eine Stundung schiebt die Fälligkeit bis zum Ablauf der Stundungsfrist hinaus
(Engelhardt/App, Verwaltungsvollstreckungsgesetz - Verwaltungszustellungsgesetz, 4. Aufl.
1996, § 3 VwVG Anm. 2). Auch wenn man annimmt, daß die Mitteilung der Einrichtung einer
Dauermahnsperre am 04.07.1997 eine Stundung bewirkt, so wäre diese nach dem Wortlaut der
Mitteilung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vom 11.03.1998 entfallen.
III. Die Widerspruchsgebühr ist auch vollstreckbar. Der Gebührenbescheid ist
unanfechtbar i.S.d. § 2 Nr. 1 LVwVG. Eine wirksame Klagerücknahme beseitigt die
Rechtshängigkeit, und zwar rückwirkend, § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO
(Eyermann-Rennert, § 92 VwGO Rdn. 20). Eine neuerliche Erhebung einer Anfechtungsklage
ist ausgeschlossen, da die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO seit Zustellung des
Widerspruchsbescheides am 18.04.1997 abgelaufen ist. Damit hat auch der Bescheid über die
Widerspruchsgebühr Bestandskraft.(2)
IV. Auch eine Mahnung gemäß § 14 Abs. 1 LVwVG ist mit Schreiben vom 22.04.1998
erfolgt. Eine Mahnung besteht in der Aufforderung an den Schuldner, einen bestimmten
fälligen Geldbetrag bis zum Ablauf der Mahnfrist bei Meidung des
Verwaltungsvollstreckungsverfahrens an die angegebene Kasse zu zahlen (App,
Verwaltungsvollstreckungsrecht, 1989, Rdn. 388). Es wurde auch eine Zahlungsfrist von
mindestens einer Woche gesetzt, § 14 Abs. 3 LVwVG.
Aus diesen Gründen können Beitreibungsmaßnahmen eingeleitet werden.
1) Eine Widerspruchsentscheidung braucht hingegen nicht zu ergehen. Die Mahnung stellt keinen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 LVwVfG dar, denn sie weist lediglich auf den bereits erlassenen Leistungsbescheid hin. Mit Rechtsbehelfen angefochten werden kann sie daher nicht (Engelhardt/App, Verwaltungsvollstreckungsgesetz - Verwaltungszustellungsgesetz, 4. Aufl. 1996, § 3 VwVG Anm. 4). ZURÜCK
2) Vor Erlaß der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung war der
Gebührenbescheid nicht gemäß § 2 Nr. 2 LVwVG vollstreckbar. Die aufschiebende Wirkung
der Klage war nicht nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO entfallen, da diese Vorschrift nur
Fälle erfaßt, in denen ausschließlich und selbständig um Abgaben oder Kosten
gestritten wird, der Abgaben- oder Kostenstreit mithin die Hauptsache darstellt. Bei
Widerspruchsgebühren ist dies nicht der Fall (Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen
im Öffentlichen Recht, 9. Aufl. 1996, § 54 Rdn. 10 f.).