Entwurf
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
des Herrn A, .........................
- Klägers -
Verfahrensbevollmächtigter: RA .........................
gegen
Frau B, .........................
- Beklagte -
Verfahrensbevollmächtigte: RAe .........................
wegen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung
hat das Amtsgericht C
durch Richter am Amtsgericht D
auf die mündliche Verhandlung am 23.9.1997
für Recht erkannt:
1. Die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger aus dem Anerkenntnisurteil des
Amtsgerichts C vom 22.5.1997, Geschäfts-Nr. ........................., wird für
unzulässig erklärt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM ???
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob eine Banküberweisung des Klägers der
Zwangsvollstreckung der Beklagten entgegensteht.
Am 22.5.97 erließ das Amtsgericht C, Geschäfts-Nr. ........................., gegen
den Kl. ein Anerkenntnisurteil in Höhe von 3.342,30 DM nebst 12,5 % Zinsen hieraus seit
dem 8.7.96. Am 27.5.97 überwies der Kl. einen Betrag von 3.342,30 DM per Btx von seinem
Konto bei der D-Bank, Filiale E, auf das Konto Nr. XXX XX XX XX bei der F-Bank, Filiale C.
Dieses Konto hatte die Bekl. in ihrer Rechnung vom 17.6.96, auf die sich die titulierte
Forderung bezog, angegeben.
Am 30.5.97 forderte die Bekl. den Kl. dazu auf, den ausgeurteilten Betrag an die
Rechtsanwälte G und H, I-platz ..., in J als Zahlstelle auf deren Konto bei der
Kreissparkasse J zu bezahlen und drohte an, anderenfalls einen Zwangsvollstreckungsauftrag
zu erteilen.
Am 9.6.97 überwies der Kl. einen Zinsbetrag in Höhe von 382,97 DM auf das in der
Rechnung angegebene Konto bei der F-Bank. Am 19.6.97 meldeten sich die Rechtsanwälte G
und H beim Kl. und behaupteten die Abtretung der titulierten Forderung an eine Zimmerei K.
Am 24.6.97 bestätigte die F-Bank, Filiale L, dem Kl., daß das genannte Konto der Bekl.
zum Überweisungszeitpunkt bestand und die beiden Beträge ordnungsgemäß am 28.5. bzw.
10.6.97 gutgeschrieben worden seien.
Die Bekl. drohte dem Kl. am 11.7.97 die Zwangsvollstreckung an, wenn nicht der
Urteilsbetrag samt Zinsen bis zum 21.7.97 der angegebenen Zahlstelle gutgebracht werde.
Der Kl. überwies spätestens am 21.7.97 nochmals einen Betrag in Höhe von 403,86 DM auf
das angegebene Konto der Rechtsanwälte G und H in J.
Die Bekl. behauptet, ihr in der Rechnung angegebenes Konto sei bereits am 1.8.96 von
der F-Bank, Filiale C, gekündigt worden und bestehe somit nicht mehr. Die Bekl. habe den
Betrag von 3.342,30 DM inzwischen an die Zimmerei K bezahlt, so daß sich die Abtretung
erledigt habe.
Am 30.7.97 gewährte das Amtsgericht C dem Kl. vorläufigen
Vollstreckungsschutz.
Entscheidungsgründe:
Die Vollstreckungsabwehrklage ist zulässig und begründet.
Dem Kl. steht gegen die Vollstreckung gemäß § 767 ZPO die Einrede der Erfüllung zu,
da er nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung die titulierte Forderung an die Bekl.
gezahlt hat. Durch die Banküberweisungen des Bekl. i.H.v. 3.342,30 DM auf das Konto bei
der F-Bank und i.H.v. 403,86 DM auf das Konto der Rechtsanwälte G und H ist Erfüllung
nach § 362 Abs. 1 BGB eingetreten.
I. Der Kl. war zur Überweisung auf das Konto bei der F-Bank berechtigt. Grundsätzlich
wird zwar eine vorherige oder nachträgliche Vereinbarung der Beteiligten verlangt, daß
die geschuldete Leistung durch Banküberweisung erbracht werden kann. Die Bekl. hat jedoch
im Voraus konkludent eine Annahmeerklärung abgegeben, indem sie das Konto auf ihrer
Rechnung an den Kl. angegeben hatte (vgl. Palandt/Heinrichs, § 362 Rdn. 8 m.w.N.).
Erfüllung konnte unabhängig davon eintreten, ob das Konto der Bekl. bei der F-Bank
tatsächlich noch fortbestand oder ob es in der Zwischenzeit von der Bank gelöscht worden
war.
a.) Für ein Fortbestehen des Kontos selbst nach dem Kündigungsschreiben der F-Bank
vom 1.8.96 spricht, daß die Bank nach dem Wortlaut ihres Schreibens lediglich das
Kreditverhältnis aufgekündigt hat.
Einem Girokonto liegt rechtlich nicht nur ein einziger Vertrag zugrunde, sondern
verschiedene: Das Verhältnis zwischen Bank und Kunden insgesamt wird durch den
(allgemeinen) Bankvertrag geregelt. Bankkunden, die sich der Dienste einer Bank bedienen,
wollen in aller Regel nicht nur ein einziges Geschäft erledigen, sondern eine (allerdings
grundsätzlich jederzeit beendbare) Bankverbindung eröffnen. Der Bankvertrag regelt
dieses Dauerschuldverhältnis und gibt damit die Grundlage bzw. den Rahmen für die
zahlreichen, rechtlich ganz verschiedenen Bankgeschäfte im einzelnen (vgl.
Baumbach/Duden/Hopt, HGB, (7) BankGesch Rdz. A/6).
Auf der Basis dieses Grundlagen- bzw. Rahmenvertrages kann ein Girovertrag
abgeschlossen werden. Der Girovertrag ist ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag
mit Dienstleistungscharakter, der auf die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs
und des Abrechnungsverkehrs gerichtet ist (vgl. Baumbach/Duden/Hopt, HGB, (7) BankGesch
Rdz. C/1 f.).
Daneben bietet die Bank dem Kunden meist auch einen Kontokorrentkredit oder einen
Überziehungskredit an. Beim Kontokorrentkredit vereinbaren die Parteien die Gewährung
eines Kredits bis zu einer bestimmten Höhe, den der Kunde, wenngleich ohne Rechtspflicht,
auch tatsächlich in Anspruch nehmen will. Die Besonderheit liegt darin, daß der
Kontokorrentkredit im laufenden Zahlungsverkehr eingesetzt und nur soweit die Einlagen des
Kunden nicht ausreichen in Anspruch genommen werden soll (vgl. Staudinger/Hopt/Mülbert,
Vorbem. zu §§ 607 ff. BGB Rdn. 290). Dem Kontokorrentkredit liegt - neben dem
Girovertrag - ein Kreditöffnungsvertrag zugrunde, durch den sich der Kreditgeber zur
Kreditgewährung bis zu einer bestimmten Höhe (Kreditrahmen) nach Abruf verpflichtet. Er
ist ein Grund- bzw. Rahmenvertrag, der von den einzelnen Kreditgeschäften innerhalb
seines Rahmens rechtlich getrennt ist (Baumbach/Duden/Hopt, HGB, (7) BankGesch Rdz. G/2).
Beim Überziehungskredit steht dagegen nicht das Kreditgeschäft im Vordergrund.
Vielmehr honoriert die Bank z.B. ungedeckte Schecks oder duldet Kontoüberziehungen,
obwohl eine ausdrückliche Vereinbarung über die Kreditgewährung fehlt oder der Kunde
den vereinbarten Betrag oder Termin überschreitet. Beim Überziehungskredit handelt es
sich um ein normales Gelddarlehen, das durch Hingabe konkludent gewährt wird, sog.
Handdarlehen (vgl. Staudinger/Hopt/Mülbert, a.a.O.).
Es kann dahinstehen, ob die F-Bank mit der Bekl. einen Kontokorrentkredit oder einen
Überziehungskredit vereinbart hatte. Die Kündigung allein der Kreditgeschäfte läßt in
beiden Fällen den Girovertrag und somit den Bestand des Kontos unberührt. Es besteht
nämlich keine zwingende Verknüpfung zwischen dem Girovertrag und den Kreditgeschäften
derart, daß die Kündigung eines einzelnen Verhältnisses zugleich das Ende der anderen
Verhältnisse herbeiführen würde (vgl. Staudinger/Hopt/Mülbert, Vorbem. zu §§ 607 ff.
BGB Rdn. 294). Der Wortlaut des Schreibens der F-Bank, Filiale C, vom 1.8.96 spricht
dafür, daß nur das Kreditverhältnis betreffend das Konto Nr. XXX XX XX XX gekündigt
wurde.
b.) Hierauf kommt es letztenendes jedoch nicht an. Denn selbst wenn das Konto der Bekl.
bei der F-Bank gelöscht worden wäre, wäre zugunsten des Kl. Erfüllung eingetreten. Dem
Überweisungsempfänger ist es grundsätzlich verwehrt, Mängel aus seinem Verhältnis zur
Bank auf seinen Schuldner abzuwälzen und ist dann auf Ansprüche gegen die Bank
beschränkt (so Staub/Canaris, HGB, 4. Aufl. 1988, Bankvertragsrecht, Erster Teil, Rdn.
485). Dies gilt etwa für den Fall, daß der Girovertrag zwischen dem
Überweisungsempfänger und seiner Bank nichtig ist (ebda.).
Allgemein anerkannt ist, daß auch einer Überweisung auf ein mittlerweile gelöschtes
Konto des Gläubigers Erfüllungswirkung zukommt, wenn der Gläubiger dieses Konto selbst
bezeichnet hat (so BFH WM 1988, 252 ff.; FG BadWürtt WM 1984, 962 ff.; Staudinger/Olzen,
Vorb. zu §§ 362 ff. BGB Rdn. 44 m.w.N.; Kindermann, WM 1982, 318, 321; Staub/Canaris,
a.a.O., Rdn. 472, 485; vgl. auch BGH WM 1971, 1500 ff.; MünchKommBGB/Heinrichs, § 362
BGB Rdn. 23; Jauernig/Stürner, §§ 364, 365 BGB Anm. 1 d). Hierdurch hat der
Überweisungsempfänger gegenüber dem Überweisenden nämlich in zurechenbarer Weise
einen Rechtsschein geschaffen, so daß letzterer, sofern er nicht bösgläubig war, von
seiner Schuld befreit wird (so Staub/Canaris, a.a.O., Rdn. 485).
Dieses Ergebnis wird von einer Ansicht auf den Rechtsgedanken des § 270 Abs. 3 BGB
gestützt, wonach es unangemessen wäre, den Schuldner für Gefahren haften zu lassen, die
der Gläubiger durch ein allein seiner Sphäre zuzurechnendes Verhalten erst geschaffen
hat (so BFH WM 1988, 252, 253 m.w.N.). Dieser Gedanke, der sich auch aus dem Grundsatz von
Treu und Glauben entnehmen läßt, sei allgemein anwendbar. Der Schuldner hafte daher
nicht für Gefahren der Geldübermittlung, die durch das Verhalten des Gläubigers, das
auch seiner Sphäre zuzurechnen ist, verursacht worden sind.
Stichhaltiger ist eine Analogie zu den §§ 170 ff. BGB (so Staub/Canaris, a.a.O.; FG
BadWürtt WM 1984, 962, 963 stützt hierauf sein Urteil). Nach § 170 BGB bleibt eine
Vollmacht, die durch Erklärung einem Dritten gegenüber erteilt wurde, diesem gegenüber
so lange in Kraft, bis ihm vom Vollmachtgeber das Erlöschen angezeigt worden ist. Die
Interessenlage ist im wesentlichen die gleiche wie bei der Frage der Gefahrtragung bei
falscher Kontoangabe (so BFH a.a.O.). Der Rechtsschein ist auch dann noch zurechenbar,
wenn das Konto erst nach Angabe der Kontonummer gelöscht wird (Staudinger/Olzen, Vorb. zu
§§ 362 ff. BGB Rdn. 44: "mittlerweile"; Kindermann, WM 1982, 318, 321:
"zwischenzeitlich"). Denn der Überweisungsempfänger hat die Möglichkeit,
seinem Schuldner jederzeit die Änderung seiner Bankverbindung anzuzeigen. Dies ist von
ihm auch zu verlangen, denn nur er hat die Kenntnis vom Fortbestehen bzw. Erlöschen
seines Kontos. Sein Schuldner muß nicht damit rechnen, daß eine Überweisung deshalb
nicht ankommt, weil inzwischen das Konto aufgelöst wurde.
Die Bekl. hat dem Kl. in ihrer Rechnung ihre Kontonummer bei der F-Bank mitgeteilt und
so den fortwirkenden Rechtsschein gesetzt, daß überwiesenes Geld bei ihr auch ankommen
werde. Daher ist durch die Überweisung vom 27.5.97 Erfüllung i.H.v. 3.342,30 DM
eingetreten.
II. Mit der Überweisung auf das Konto der Rechtsanwälte G und H bis spätestens
21.7.97 erfüllte der Kl. die nach der ersten Überweisung noch bestehende Restforderung
aus verminderter Hauptforderung (vgl. § 367 Abs. 1 BGB) und den hierauf basierenden
Zinsen in vollem Umfange.
Aus diesen Gründen war der Klage stattzugeben.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
D, Richter am Amtsgericht